Im Russland der kommunistischen Ära versammelten Parteifunktionäre regelmäßig die Bevölkerung eines Viertels oder Dorfes und hielten ihnen einen langen Vortrag über die Illusionen der Religion.
Einmal, nach einem solchen einstündigen Vortrag, bat der Kommissar den örtlichen Pfarrer um eine fünfminütige Gegenrede.
Der Pfarrer sagte: „Ich brauche keine fünf Minuten.“
Dann wandte er sich an die Dorfbewohner und sagte:
„Der Herr ist auferstanden!“, und alle antworteten:
„Er ist wahrhaft auferstanden!“, woraufhin der Pfarrer an seinen Platz zurückkehrte.
„Der Herr ist auferstanden“ ist Überzeugung vor Dogma, Freude die zum Glauben führt; wie die tiefste Freundschaft, wie die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, ist sie bekannt, bevor wir sie verstehen.
„Der Herr ist auferstanden!“ „Er ist wahrhaft auferstanden!“
In seinem Evangelium geht der heilige Lukas sehr genau auf die Zeit ein.
Es ist der Tag nach dem Sabbat, der Tag, an dem alle, dem mosaischen Gesetz folgend, ruhten.
Es ist, so Lukas, der erste Tag der Woche, ein Werktag, ein ganz normaler Tag, eine Rückkehr zum Alltag, zur Arbeit und zur Routine des täglichen Lebens.
Und so kommen die Frauen zum Grab und bringen die Dinge mit, die sie für die fromme Pflicht vorbereitet hatten, die sie geplant hatten und so gut kannten: die Totensalbung.
In diesem Zeitrahmen des Alltäglichen, der Vorbereitungen, Routinepläne und gewohnheitsmäßigen Handlungen offenbart sich die Auferstehung;
und sie offenbart sich als etwas, das so überhaupt nicht in unsere Vorstellungen, unsere Vorbereitungen, unsere Pläne und Erwartungen passt, wie die Welt zu funktionieren hat.
Wir hörten am Gründonnerstag, wie Gott, der Herr, den Menschen in Ägypten sagte: „Dieser Monat [der Monat des Passahfestes] soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll als der Erste unter den Monaten des Jahres gelten.“ (Ex 12,2)
So ähnlich befreit uns auch das Osterfest von der Tyrannei der sich wiederholenden Zeit, von der Kontrolle des Alltags,
aber auch von seiner lähmenden Bequemlichkeit.
Es versetzt uns in den nie endenden Tag der treuen Liebe Gottes, sowohl als Empfänger wie auch als Ausspender der barmherzigen und unverdienten Liebe –
Einer Liebe, die die Grundlage unserer Hoffnung bildet und in der Welt die Gegenwart des auferstandenen Herrn bezeugt.
Die Frauen kamen zum Grab, gut vorbereitet und mit einem Plan, dachten sie.
Doch in Wahrheit suchten sie, aber sie wussten es nicht, bis sie ahnungslos ankamen und fanden.
Sie fanden den Stein, der schon weggerollt war – ein positives und zugleich negatives Zeichen:
„Seinen Leichnam fanden sie nicht.“
Die Auferstehung stellt unsere vernünftigen Erwartungen auf den Kopf; oder besser gesagt:
Von diesem Osterfest ausgehend werden wir zu Suchenden nach dem Unbekannten.
Denn erst als die Frauen fanden, entdeckten sie, dass sie suchten.
Die Auferstehung ist dieses beunruhigende, aber aufregende Entwurzeln um uns auf die Suche nach dem Unbekannten zu stoßen.
Die Männer in den leuchtenden Gewändern fragen die Frauen: „Warum sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Wie die Frau im Hohelied sagt: „Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, / die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.“ (Hld 3,2).
Der weggerollte Stein, der nicht gefundene Leichnam, werfen nur Fragen auf: Wie, wer, wo, wann?
Es ist der Beginn ihrer wahren Suche nach dem Lebenden und der Beginn unserer Suche.
„Seinen Leichnam fanden sie nicht.“
Und alle Fragen, die das leere Grab aufwirft, lassen uns letztlich nur zum Jubel gelangen.
Zur großartigen Erkenntnis, von Gott unendlich geliebt zu sein.
Unsere Suche führt uns ans leere Grab und zum Jubel der Osternacht: Wir sind frei.
„Der Herr ist auferstanden!“ „Er ist wahrhaft auferstanden!“
Durch die Auferstehung Jesu hat die Liebe sich stärker gezeigt als der Tod und als das Böse.
Die Liebe ließ ihn absteigen, und sie ist zugleich die Kraft, in der er aufsteigt.
Und durch die er uns mitnimmt.
Geeint mit seiner Liebe, von ihren Flügeln getragen, steigen wir mit ihm als Liebende ab in die Dunkelheiten der Welt und wissen, dass wir gerade so mit ihm aufsteigen.
So bitten wir in dieser Nacht:
Herr, zeige auch heute, dass die Liebe stärker ist als der Hass.
Dass sie stärker ist als der Tod.
Steig auch in die Nächte und Unterwelten unserer modernen Zeit hinab, und nimm die Wartenden an die Hand.
Führe sie ins Licht.
Sei auch in meinen dunklen Nächten mit mir und führe mich hinaus.
Hilf mir, hilf uns, mit dir hinabzusteigen in das Dunkel der Wartenden, die aus der Tiefe nach dir schreien.
Hilf uns, dein Licht dorthin zu tragen.
Hilf uns zum Ja der Liebe, die uns absteigen und ebenso mit dir aufsteigen lässt.
Denn es ist wahr:
„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!“